Die „Schlacht“ von Gorleben
 
 
 Eine Darstellung der schwerwiegenden dramatischen Ereignisse auf der Elbe im Oktober 1966 zwischen der im Dömitzer Bootshafen stationierten 1. Bootsgruppe der DDR mit dem westdeutschen Vermessungsschiff „Kugelbake“ aus der Sicht des Grenzregiments
 

 Aufzeichnungen von 1986
    
  Über die Stimmung und Haltung der Grenzbevölkerung zu dieser Provokation
  stand in der „Volksarmee“ Nr 48/66 folgende Notiz:

 

Rüterberg liegt in unmittelbarer Nähe des Elbgrenzabschnittes unserer westlichen Staatsgrenze. Die Mitglieder der Ortsparteileitung protestieren gegen die friedensgefährdenden Provokationen der Bonner Notstandspolitiker auf der Elbe. Als Bewohner des Grenzgebietes wissen wir, daß die westdeutsche Regierung den Überfall auf die DDR plant und dazu Konflikte an der Staatsgrenze braucht. Den Angehörigen der Grenztruppen aber mochten wir für ihr besonnenes Handeln auf der Elbe Dank und Anerkennung ausprechen.Die Genossen versicherten, daß sie alles in ihren Kräften stehende tun werden, um die Grenzsoldaten zu unterstützen“Angeblich hatte im Oktober 1966 die im Dömitzer Hafen stationierte 1. Bootsgruppe desGrenzregiments eine Schlacht gewonnen.

In Wirklichkeit mußte die DDR-Staatsmacht erkennen,daß sie ihre Grenzkontrolle nur bis an das Ostufer der Elbe mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln voll durchsetzen konnte.Es wurde deshalb alles getan,daß der DDR-Bürger zum „Grenzdurchbruch“garnicht erst  das Elbufer erreichen konnte.

Es war einer der Gründe,weshalb in der Folge der „Schlacht von Gorleben“ im Jahre 1967Der zweite Zaun an der F 195 gebaut und damit das Dorf Rüterberg völlig eingeschlossen wurde.

  

                                                  
Aus den Aufzeichnungen eines DDR-Grenzregiments

  
Am 18 Oktober 1966 zwischen 14.30 Uhr und 15.30 Uhr stand der Frieden in Europa auf dem Spiel, hing er am seidenen Faden. Er wurde durch den mutigen Einsatz der Angehörigen der 1. Bootsgruppe erfolgreich verteidigt. Generalmajor Strickland, leitender Offizier der Führungsgruppe der Britischen Rheinarmee, drückte diese Feststellung später wie folgt aus „Es hätte leicht einen dritten Weltkrieg auslösen können.“ Wie kam es zu dieser Provokation? Im Juli 1966 hatten beide Seiten zwecks Aufrechterhaltung der Elbschiffahrt vereinbart, im Grenzstreckenabschnitt der Elbe die erforderlich Peilarbeiten durchzuführen, wobei die territoriale Integrität und die Souveränität beider Seiten zu wahren war.

Im einzelnen wurde festgelegt,die Peilarbeiten durch das DDR-Peilschiff „Lenzen“ und durch das BRD-Schiff,, Kugelbake“ durchführen zu lassen. Insgesamt sollten die Pellarbeiten im November 1966 abgeschlossen sein. Am 6. Oktober 1966 gegen 13.00 Uhr wurde das Peilboot der DDR „Lenzen“ im Raum Lenzen durch das Zollboot „Lüneburg“ bei der Durchführung der Peilarbeiten behindert. Die Zusage für die Peilarbeiten wurde BRD-seitig für das DDR-Peilboot zurückgezogen und in anmaßender Weise verfügt, daß nur die BRD das Recht zu Peilarbeiten im gesamten Grenzstreckenabschnitt besitzt. Damals berief man sich auf die Nachfolgerechte aus der Zeit vor 1945 und die damaligen Zuständigkeitsbereiche für die wasserwirtschaftlichen Arbeiten an und auf der Elbe. Heute hat man die Besitzansprüche auf die ganze Elbe modifiziert.

 

Bereits am 7. Oktober 1966 wurden im Hafen Damnatz provokatorische Handlungen erkennbar. Auffällig war, daß um und auf der,, Kugelbake“ englische Soldaten und BGS-Angehörige eine rege Geschäftigkeit entfachten. Nachmittags erschien das Zollboot „Lüchow“ in Nähe eines unserer Grenzsicherungsboote. Ein englischer Offizier erklärte unserer Bootsbesatzung, daß die“ Kugelbake“ die Querpeilung wieder aufnehmen wird.

Am 11. Oktober 1966 verließ die „Kugelbake“von den Zollbooten „Lüchow“ und „Berlin“ begleitet, den Hafen Damnatz und lief in den Hafen Gorleben ein. Am westlichen Ufer wurde die „Kugelbake“ von 8 SPW, 7 Kübel und 2 MTW der englischen Armee eskortiert.

Gegen 16.00 Uhr verließ die “Kugelbake“ den Hafen Gorleben und versuchte eine Querpeilung.Kapitänleutnant Kurt Winkler protestierte gegen die Verletzung der Staatsgrenze, ein weiteres Eindringen der „Kugelbake“ wurde durch 6 Hafenbarkassen und ein Schnellboot verhindert. Während der Provokation befanden sich zwei Hubschrauber des BGS in der Standschwebe über dem Handlungsraum der,, Kugelbake“. Tage darauf verunglimpfte der Norddeutsche Rundfunk die Grenztruppen, „weil sie eine friedhiche Peilung störten“!

Am 12. Oktober 1966 lief in der BRD die NATO-Stabsübung „ Fallex 66“ an. Ihre Idee ging von einem begrenzter Kernwaffenkrieg aus. Anlaß war eine vorangegangene Grenzprovokation an der Staatsgrenze der DDR. Zufall?

Am 18. Oktober 1966 nachmittags erreicht die Provokation ihren Höhepunkt. Vormittags wurden an der,, Kugelbake” umfangreiche Vorbereitungsarbeiten beobachtet. Vom Führungsstab des BGS Brigadegenerals Müller wurde ein Telefonkabel zum Elbufer verlegt. Eine Filmkamera wurde am Ufer aufgebaut. Die Fahrzeuge, die an der Filmkamera beobachtet wurden, trugen die Aufschriften Springer, Bild, „Hör zu“ Gegen Mittag wurde eine Gruppe Militär bei der Rekognoszierung beobachtet.

Am westlichen Ufer gingen Panzerspähwagen „Ferett“ und „Saladin“ in Stellung. Sie richteten ihre Kanonen und Maschinengewehre auf unsere Grenzsoldaten und Boote.

Den weiteren Verlauf der Grenzprovokation schildert  K.H. im Heft 4 der Beiträge zur Geschichte der Grenztruppen so:

14. 27 Uhr: Am Unterlauf der Elbe steuern zwei Konvois Wasserfahrzeuge aufeinander zu. Der eine naht aus Richtung Dömitz, der andere hat gerade den Hafern GorIeben verlassen. Kurze Zeit später begegnen sie sich.Die aus Dömitz kommenden Boote der Grenztruppen der DDR formierten sich zur Kielinie.Auf Gegenkurs das westdeutsche Peilschiff „Kugelbake“, flankiert von Booten des Zollgrenzdienstes. Drei BGS-Hubschrauber vom Typ „AIouette“jagen im Tiefflug über die Bootseinheit der Grenztruppen hinweg.

Mit dem Druck ihren Rotoren versuchen sie, die Grenzsicherungsboote zum Kentern zu bringen. Ihren Attacken begegnet eine Mi-4 mit dem Hoheitszeichen der DDR, geführt von Oberleutnant K.. Währenddessen überfliegen zwei Hubschrauber der Britischen Rheinarmee „Whirlwind“ den Ort der Provokation, die Seitentüren auf, die schußbereiten Maschinengewehre auf die Grenzsoldaten gerichtet.

Wenige Minuten später erreicht eine zweite Angriffswelle, bestehend aus sechs Zollbooten, drei Sturmbooten und zwei selbstfahrenden Pontons des BGS den Raum der Auseinandersetzung. Zusammen mit der „ Kugelbake“ dringen sie gewaltsam in die Sperrlinie ein und versuchen, die Grenzsicherungsboote der Bootsgruppe zu rammen. Die am BRD-Ufer in Stellung gegangenen SPW, ”Wowag“ des BGS und die britischen richten ihre Maschinengewehre und Kanonen auf die Grenzer. Verbindungsoffiziere der britischen Armee, die sich auf Schiffen und Booten der BRD aufhalten, fordern über Megaphon, den Weg für die „ Kugelbake“ freizugeben. Vergeblich. Mit geschickten Manövern weichen die Grenztruppenboote den Rammversuchen aus und schließen immer wieder die Kiellinie. Mit Mut und Geschick wehren die Angehörigen der Bootseinheit Dömitz unter Führung von Kapitänleutnant J., heute Kommandeur der Offiziershochschule“Rosa Luxemburg”alle Angriffe ab. Sie lassen sich nicht zu unbedachten Handlungen provozieren. sondern zwingen die Angreifer zum Abdrehen. Eine Grenzrevision an der Elbe bleibt an diesem Tage und für alle Zukunft aus.

 

Für die Angehörigen der 1 Bootsgruppe war das eine unvorstellbare Bewährung und ein Musterbeispiel für soldatische Disziplin und seemännisches Können. Die Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, berichteten einige Teilnehmer, die diese Provokation abgewehrt hatten. “Was uns half, besonnen und entschlossen zu handeln, die Befehle strikt zu erfüllen. Das war die kluge Führung und das Beispiel unseres Kommandeurs, das war das Vertrauen in die Politik unserer Partei und in die Richtigkeit ihrer Entscheidung und nicht zuletzt die Gewißheit, daß auf unserer Seite die stärkeren Bataillone stehen“‚ berichteten sie.Am 21. Oktober verließ die „Kugelbake“ den Grenzstreckenabschnitt in Richtung Lauenburg. Das Ziel der Provokation war gescheitert. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte am 17.Juli 1966 zum Ziel der Provokation geschrieben;

„...der DDR müsse nachhaltig klargemacht werden, wer auf der Elbe die Hoheitsrechte ausüben könne und wer nicht“

Die Angehörigen der 1. Bootsgruppe hatten durch ihren mutigen Einsatz gezeigt, daß sie die Hoheitsrechte der DDR auf der Elbe ausüben. Die großen Leistungen der Grenzsoldaten in den blauen Uniformen zur Erhaltung des Friedens wurden auf einem feierlichen Appell unter Beteiligung der örtlichen Partei- und Staatsorgane sowie der Grenzbevölkerung hoch gewürdigt. Auf Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung zeichnete der Chef der Grenztruppen der NVA die Besten von ihnen mit der „Verdienstmedaille der NVA“ und der Medaille „Für vorbildlichen Grenzdienst“ aus. Die Angehörigen der 1. Bootsgruppe hatten eine Schlacht gegen den Alleinvertretungsanspruch der BRD auf der Elbe gewonnen.

Wenn heute, 20 Jahre danach, so intensiv über die Grenzfestlegung des EIbgrenzabschnittes in der BRD diskutiert wird und sich die Stimmen für eine völkerrechtliche Regelung mehren, so ist das wesentliches Verdienst der Bootsbesatzungen von 1966. die entschlossen die Hoheitsrechte der DDR verteidigten.

Die Ereignisse vom 18. Oktober 1966 bestärkten damals unsere Regierung, einseitig die Staatsgrenze zu kennzeichnen. Entlang der gesamten Staatsgrenze, mit Ausnahme der Elbe, wurden vom 1. August 1967 bis 30. Oktober 1967 Grenzsäulen gesetzt. Augenscheinlich wurde damit die Souveranität der DDR völkerrechtlich dokumentiert.

Im November 1967 erhielt die 1. Bootsgruppe auf einem feierlichen Appell die ersten sechs Boote vom Typ 066. Mit dieser neuen Bootstechnik waren die Angehörigen der Bootsgruppe noch besser in der Lage, den Schutz der Staatgrenze zu gewährleisten Auf diese neue Technik waren die Offiziere, Maate und Matrosen stolz.

Die siegreiche Klassenschlacht auf der Elbe spornte alle Angehörigen des Grenzregiments an.Im selben Jahr baten 81 Soldaten um Aufnahme in die Partei.

 5 468,- Mark spendeten die Grenzsoldaten für Vietnam. Ein Jahr später wurden 84 Grenzsoldaten in die Partei aufgenommen. 8 339,- Mark wurden für Vietnam gespendet, 7701 Verpflichtungen im sozialistischen Wettbewerb erfüllt und 196 Grenzsoldaten als Mitglied der FDJ gewonnen.

 

Zitat:Bernd Lampe, „Die Welt

 

„Am 18. Oktober 1966 unterstützten Einheiten der britischen Rheinarmee, die laut Angaben des britischen Publizisten David Shears bereit waren, „Feuerschutz zu geben” Querpeilungen des Hamburger Vermessungsschiffs „Kugelbake“ Auf das Schiff waren mehr als zehn Schüsse von „DDR“-Booten abgefeuert worden. Die Volksarmee gab nach dem Einsatz der Engländer klein bei. Zuvor hatten westliche Behörden das „DDR“Vermessungsschiff,,Lenzen“ mit der Begründung zurück geschickt, daß die „DDR“ kein Recht zu FIußarbeiten entlang der Grenzstrecke an der Elbe hätte.“

 

 
                                                   Die „Schlacht“ von Gorleben
 
 Eine Darstellung der Ereignisse aus der Sicht des englischen Publizisten David Shears

 

„Gorleben ist ein Dorf an der Elbe. Es ist nur auf den genauesten Karten zu finden, und nur wenige Deutsche haben jemals davon gehört. Dennoch fand hier an einem bewölkten Oktobertag 1966 eine „Schlacht“ statt, die als die ernsteste Konfrontation an der Grenze seit dem Krieg gilt. Es fielen zwar keine Schüsse, aber es wurde Gewalt angewandt, indem westdeutsche Boote ostdeutsche NVA-Schiffe auf dem Fluß rammten, während britische Truppen und Panzer bereitstanden, um Feuerschutz zu geben. Generalmajor Mike Strickland, der ranghöchste anwesende britische Offizier sagte später: „Es hätte leicht einen dritten Weltkrieg auslösen können.“ Er mag die Sache übertrieben haben, aber das Risiko war unkalkulierbar. Dennoch wurde über den Zwischenfall in Deutschland zu jener Zeit nur wenig berichtet, und in der Außenwelt blieb er fast unbemerkt.

Bis 1966 wurde diese Arbeit, wenn auch nicht ohne Zwischenfälle, ausschließlich von Westdeutschland ausgeführt. Am 10. August im Jahr zuvor hatten ostdeutsche Wachen vier Maschinengewehrsalven auf das westdeutsche Vermessunqsschiff „ Kugelbake“ angegeben, als es Messungen etwas flußaufwärts von Lauenburg vornahm. Zehn Einschläge wurden gezählt, aber niemand verletzt. Die Ostdeutschen behaupteten damals, daß das Schiff,, Kugelbake“ die Staatsgrenze der DDR verletzt habe.

Das Problem dieser Vermessungsschiffe besteht darin, daß sie, wenn sie ihre Arbeiten vernünftig durchführen wollen, den Fluß von Ufer zu Ufer in einer Zickzacklinie durchfahren müssen. Und dies war der Punkt, an dem die,, Kugelbake“ der Uneinigkeit zwischen Ost und West über den Verlauf der Grenze zum Opfer fiel. Sie konnte sich nicht einfach, wie die endlose Reihe der östlichen und westlichen Schiffe, die ungehindert zwischen Hamburg und Berlin hin und her fahren, an die Fahrrinne halten; sie mußte in das Gebiet, das die DDR als ihre Hälfte des Flusses bezeichnet, einfahren. Ostdeutschland hat sich niemals eindeutig darüber geäußert, wo die Grenze nach seiner Meinung verläuft.Manchmal wird behauptet, daß die Linie der Mitte des Flusses folge, und manchmal, daß sie durch die Fahrrinne bestimmt werde. Keine der beiden Definitionen hilft in der Praxis weiter, da die Fahrrinne sich nicht nur von Jahr zu Jahr ändert, sondern sich auch ständig um die Mittellinie schlängelt. Auf jeden Fall widersetzt sich die DDR dem Anspruch Westdeutschlands, daß die Grenze entlang dem östlichen Ufer der Elbe verlaufe.

Es begann im September 1966, als das Wasser-und Schiffahrtsamt in Hamburg die ostdeutsche Behörde in Magdeburg benachrichtigte, daß ein kleines Boot ausgesendet würde, um die Wassertiefe in dem knapp 100 Kilometer langen Grenzabschnitt der Elbe auszuloten. Dies ist auf jeder Wasserstraße Routinearbeit. Auf der Elbe muß sie mindestens einmal alle zwei Jahre durchgeführt werden, um die Lage der Fahrrinne festzustellen.

Die „ Kugelbake“ begann ihre Messungen am 3 Oktober. Vermessen, Ausbaggern und Bojenlegen gelten als normale Tätigkeiten, die nötig sind, um die Elbe als Glied in Berlins wichtigsten Verbindungen zum Westen offenzuhalten.

Zwei Tage später schickten die Ostdeutschen ein eigenes Verrmessungsschiff die „Lenzen“ in denselben Grenzstreifen des Flusses. Sie arbeitete nahe dem komunistischen Schiffahrtskontrollpunkt bei Schnakenburg, während die „Kugelbake“ etwas weiter flußabwärts operierte. Die „Lenzen“ wurde prompt vom Westen mit der Begründung aufgehalten,daß die Ostdeutschen kein Recht zu Flußarbeiten entlang der Grenzstrecke der Elbe hätten.

Daraufhin zogen die DDR-Behörden in der Nacht vom 6. auf 7.Oktober die Erlaubnis für die Arbeiten der „Kugelbake“ zurück. Jedesmal, wenn die“Kugelbake“nun auslief legten schnelle ostdeutsche Patrouilenboote vom gegenüberliegenden Ufer ab und bildeten eine Linie entlang der Mitte des Flusses, um den Kapitän des Vermessungsschiffes zu warnen, daß er diese nur auf eigenen Risiko überqueren könne.

 

Es ist nicht verwunderlich, wenn man die Einschüsse vom Jahr zuvor in der,, Kugelbake“ bedenkt, daß der zivile Kapitän und seine Mannschaft vorsichtig vorzugehen beschlossen. Sie widersetzten sich dem Drängen Bonns, ihren Weg durch die Sperrlinie der bewaffneten Boote hindurchzurammen, und gaben sich damit zufrieden, in der Fahrrinne zwischen den Markierungsbojen auf und ab zu fahren. Schließlich zogen sie es vor, zu streiken, statt sich auf irgendwelche Heldentaten einzulassen. Nun war Stillstand eingetreten: die Linien waren gezogen. Für Sir Frank Roberts, den damaligen britischen Botschafter in Bonn, und seine Mitarbeiter war die Frage jedoch nicht nur, ob die Briten die Westdeutschen unterstützen sollten oder nicht; schließlich ist und bleibt die Bewachung der Grenze hauptsächlich eine Aufgabe der Alliierten und nicht der Deutschen.

Und dieser Teil der Grenze ist britisch. Vom Standpunkt der britischen Botschaft aus waren die Ostdeutschen dabei die Probe aufs Exempel zu machen, wogegen man sich widersetzen mußte. Sie hatten ein westliches Unternehmen gestört, das seit dem Krieg unbehindert durchgeführt wurde. Wenn die Vermessungstätigkeit auch bloß durch die Tradition gerechtfertigt war, so war sie doch ein Teil des Gewohnheitsrechts, auf dem die westliche Position gegenüber den Russen entlang der Zonengrenze in vielen Punkten aufgebaut ist. Hier handelten die Ostdeutschen in einem klaren Bruch dieses Rechts, und das Auswärtige Amt in London war entsprechend beraten. Der Chef der britischen Militärmission beim sowjetischen Hauptquartier in Potsdam wurde beauftragt, einen mündlichen Protest beim sowjetischen Generalstabschef einzulegen. Der sowjetische Offizier antwortete erwartungsgermäß, daß dies nicht eine russische, sondern eine ostdeutsche Angelegenheit sei.

 Die Bonner Regierung war von einer geschlossenen Haltung weit entfernt. Bei dem Gedanken an eine gewaltsame Konfrontation wurde man im Verkehrsministerium blaß vor Schrecken. Erstens -Sollte es eine Schießerei oder ein Geramme geben, was würde aus der,, Kugelbake“ und ihren wertvollen Echolotgeräten? Zweitens - würden die Ostdeutschen sich mit einer Störung des Schiffsverkehrs nach Berlin rächen?

 Da die Schiffe 1965 nicht weniger als 1 561 200 Tonnen  Ladung nach Berlin gebracht hatten und dabei waren, 1,6 Millionen im Jahre 1966 dorthin zu bringen, würde ein solcher Schritt eine Bedrohung für die isolierte Stadt darstellen
 
Auf der anderen Seite unterstützte das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen unter Erich Mende die britische Position mit Nachdruck.

Ein hoher Beamter bedrängte sogar Brigadegeneral Heinrich Müller, den Kommandeur des Bundesgrenzschutzes, notfalls Gewalt anzuwenden, um die „ Kugelbake“ durch die kommunistische Blockade zu geleiten. General Müller widersetzte sich diesem Ansinnen mit der Begründung, daß erst die politische Lage geklärt sein müsse. Der Fall wurde dem damaligen Kabinett Erhard vorgelegt. Es beschloß, daß die „Kugelbake“ ihre Vermessungstätigkeit wieder aufnehmen und versuchen solle, die Elbe von Ufer zu Ufer zu überquerer;. Nun hatte Großbritannien die nötige deutsche Unterstützung, und am 14 Oktober gab Sir Frank Roberts seinen amerikanischen und französischen Kollegen, Georqe McGhee und Francois Seydoux, einen Bericht über die Lage und die Konsequenzen, die England daraus ziehen wollte.

Sir Frank Roberts war auch in Verbindung mit der Spitze der britischen Rheinarmee und der britischen Luftwaffe in Deutschland durch das sogenannte „Commanders- in-Chief- Committee“. Zu dieser Zeit ging es nicht mehr darum, ob das Recht der,, Kugelbake“ geltend gemacht werden solle, sondern wie man die kommunistische Blockade brechen könne.

General Müller fiel die Aufgabe zu,einen taktischen Plan auszuarbeiten.Sie schien die Kenntnisse eines Marineoffiziers eher als die eines ehemaligen  Panzerkommandeurs zu erfordert. Aber der General sagte später, daß seine Erfahrungen in den Panzerschlachten in Nordafrika ihm dabei zugute gekommen seien. Die westlichen Schiffe mußten irgendwie die Blockade von einem starken Dutzend kommunistischer Patrouillenboote brechen und eine Durchfahrt für die „ Kuqelbake“ frei machen. Die Erfolgschancen beruhten darauf, eine gewaltige Konfusion in der feindlichen Linie hervorzurufen, und dies hing wieder von einem engen Zeitplan, dem Überraschungseffekt, der Geschwindigkeit und der Manövrierfähigkeit auf der westlichen Seite ab. Das Problem mit der streitkenden Mannschaft der „ Kugelbake“ wurde schnell gelöst.

   General Müller ersetzte einfach die Mannschaft vom Oberdeck und vom Maschinenraum mit Leuten von seiner Küstenwache an der Ostsee. Die technischen Experten für die Echolotarbeit von der normalen Besatzung der „Kugelbake“ blieben an Bord. Um seine gemischte Flotte noch zu verstärken, ließ er unter dem Schutz der Dunkelheit zwei Pontonboote auf Lastwagen zu Gorlebens kleinem Hafen bringen. Er wußte, daß sie mit ihren kräftigen Außenbordmotoren schnell beweglich sind und große Bugwellen hervorrufen können. Bei seinem Plan waren nämlich die Bugwellen für das Durchbrechen der gegnerischen Linie wichtig. Er sah zwei Phasen vor: In der ersten Phase sollte sich die 36 Tonnen schwere “Kugelbake” geleitet von zwei westdeutschen Patrouillenbooten, der blockierenden Reihe aus NVA-Booten zweimal nähern und, wenn nötig, jedesmal wieder umkehren. Bei Phase 2 sollte mit Gewalt ein Weg frei gemacht werden. Dies würde durch eine Aufteilung der westlichen Boote, von denen die meisten dann immer noch im Hafen wären, in zwei Flottillen geschehen, von denen jede ein schnelles Pontonboot, ein Rettungsboot und mindestens vier Zollboote enthalten würden.

Sollte Phase 2 nötig werden, würden die beidern Flottillen aus dem Hafen auslaufen und sich der ostdeutschen Linie von den Flanken her nähern und dann nahe und parallel zu den kommunistischen Booten dem Zentrum zu fahren.

Wenn die anführenden Boote der beiden westdeutschen Reihen sich in der Mitte nahe kämen, sollte die gesamte Flotte in Richtung auf die ostdeutsche Linie drehen und versuchen, ihren Weg durch die Zwischenräume zu rammen. Das Ziel sollte sein, die feindlichen Boote in zwei weit auseinanderliegende Gruppierungen zu trennen und einen breiten Zwischenraum mit relativ ruhigem Wasser zu lassen, durch den die „Kugelbake“ hindurchfahren, zum östlichen Ufer gelangen und ihre Messungen durchführen könnte.

Während der ganzen Handlung sollte ein Hubschrauber dessen kräftiger Wind noch die Wirkung der Wellen verstärken sollte, knapp darüberfliegen. Bis auf den Helikopter hatte der Plan große Ähnlichkeit mit den Seeschlachten des 17. und 18 Jahrhunderts! Die Zustimmung kam schnell aus Bonn und London. Inzwischen beschloß die britische Rheinarmee, Panzer und Panzerspähwagen der 7. Panzerbrigade zur Unterstützung am westlichern Ufer bereitzustellen.

Die Truppen wurde von Brigadegeneral Richard Worsley angeführt,dessen Aufgabe darin bestand, sein Hauptquartier nahe Gorleben aufzuschlagen, sich mit dem British Frontier Service und mit allen anwesenden deutschen Organisationen in Verbindung zu setzen und angemessene Aktionen durchzuführen, um die Lage wiederherzustellen,

Er ließ seine zwei Einheiten mit Centurion- Panzern hinter Bäumen tarnen, so daß sie von der anderen Seite nicht gesehen werden konnten, stellte aber einige seiner zwölf Panzerwagen offen am westlichen Ufer auf.

Seine Verbindunq mit dem Hauptquartier der britischen Rheinarmee in Rheindahlen, wo Edward Tomkins, der britische Gesandte, als Verhindungsmann eingesetzt war bestand aus direktem und vollkommen sicherem Funkkontakt. General Müller war am 17. Oktober, dem Vorabend des Zwischenfalls, zu stundenlangen Besprechungen bei dem damaligen Bundesinnenminister Lücke,dem der Bundesgrenzschutz unterstand.

Sie trafen sich seltsamerweise nicht in Bonn, sondern in dem geheimen unterirdischen Bunker in der Eifel, der als Nothauptquartier für den Ernstfall gebaut wurde. Denn der Zwischenfall von Gorleben fiel zufällig mit der sogenannten „Fallex Übung“ zusammen, während der die meisten hohen Bonner Beamten in den bombensicheren Unterschlupf gekommen waren. Während seines Gesprächs mit Herrn Lücke wurde General Müller deutlich angewiesen, Schußwaffen nur zur Selbstverteidigung zu gebrauchen, womit er auch gänzlich übereinstimmte.

Am Morgen der Konfrontation flog er mit einem Hubschrauber direkt von der Eifel nach Gorleben, um den Befehl über seine Flußtruppen und das BundesgrenzschutzbatailIon am Ufer zu übernehmen. Außerdem hatte er einen Funkwagen zur Hand, der telefonische Verbindung mit dem Minister ermöglichte. Ebenso waren in Gorleben die Leute der British Frontier Service zugegen.

     Zwei von Ihnen sollten sich an diesem Tag besonders auszeichnen.Colin Ball,der den Kommandeuren am Ufer unschätzbare Hinweise bezüglich der Ortsbeschaffenheit gab, und Freddy Hope,der am Steuerhaus der „Kugelbake“ stand,deutlich sichtbar in seiner unverkennbaren Uniform als ein Symbol britischer Präsenz.Der Vertreter der britischen Botschaft auf der Szene,der ebenfalls eine wichtige Rolle in diesen Tagesereignissen spielte, war Hugh Stephenson, ein achtundzwanzigjähriger „Second Secretary“ (etwa dem Legationsrat zweiter Klasse entsprechend“, der zu Aubrey Pernell, einem Offizier des British Frontier Service, am Morgen des Zwischen falls sagte: „Sie wissen, daß wir all dies auf Ihrer Behauptung aufbauen, daß die Ostdeutschen niemals auf einen Mann des British Frontier Service schießen!“

General Strickland, der gerade erst das Amt des Chefs des Verbindungsstabes der britischen Streitkräfte übernommen hatte, war Vorgesetzter des British Frontier Service. Aber er spielte nur eine beratende Rolle in Gorleben und konnte Brigadegeneral Worsley keine Befehle geben. Er konnte aber seinen Rang gegenüber Brigadegeneral Müller behaupten, und dies war der Grund seiner Anwesenheit. Die Briten waren der Meinung, daß General Müller unter Kontrolle gehalten werden müsse, wenn man die Situation in der Hand behalten wolle.

 Westliche Helikopter waren gestartet, um einen Überblick zu bekommen, aber alles, was sie sehen konnten, waren ein paar Maschinengewehrstellungen. Brigadegeneral Worsley konnte seine Sorgen den ganzen Tag über nicht beschwichtigen, und er war dabei nicht der einzige. Man kam überein, daß zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse ein Offizier des British Frontier Service auf die andere Seite hinübergehen und den Ostdeutschen sagen solle, daß die „Kugelbake“ ihre Vermessungsarbeiten wieder aufnehmen würde und das sie ihre Intervention beenden sollten. Dies wurde von Ron Sherell durchgeführt, indem er über ein Megaphon zu einigen ostdeutschen Booten neben einer Mole sprach. Die Mannschaften reagierten überhaupt nicht. Sie schauten nicht einmal auf.

Inzwischen wurde die lokale Presse, mit Ausnahme eines Fernsehkameramanns, angewiesen, sich in dem Dorf zurückzuhalten. Die einzigen zivilen Zuschauer auf dem westlichen Ufer waren ein paar verwirrte Landarbeiter. In einer bestimmten Phase des Planes sollte sich General Strickland der anderen Seite deutlich zeigen, um durch die Anwesenheit eines so „hohen Tieres“ Eindruck zu machen. Ein ostdeutsches Boot lief auch prompt aus und kreuzte langsam nahe dem westlichen Ufer auf und ab, während ein Offizier der Volksarmee es eifrig mit einer Filmkamera fotografierte.

Phase 1 wurde dann wie vorgesehen durchgeführt. Die „ Kugelbake“ begann ihre Fahrt mit den zwei Begleitbooten zu dem anderen Ufer. Daraufhin fuhren die schnellen kommunistischen Boote promt in die Reihe, um ihre Weiterfahrt zu versperren, wie sie es schon oft zuvor getan hatten. Anstatt einen Rammversuch zu unternehmen, kehrte die „Kugelbake“ planmäßig friedlich wieder zurück und wiederholte das Manöver. Ein großer Royal-Air-Force-Hubschrauber und ein ostdeutscher Hubschrauber flogen inzwischen am westlichen und östlichen Ufer auf und ab. Auf beiden Seiten wurden keine Schiffe versenkt, aber es gab einige Kratzer und Splitter, als die Holzboote der Kommunisten mit den robusten Stahlwände der größeren westlichen Boote kollidierten.

   Kein Beobachter am Ufer konnte stolzer auf diesen unblutigen Sieg sein als General Müller, dessen Plan so großartig funktioniert hatte. „Was die andere Seite nicht erkannt hat”; sagte der weißhaarige deutsche General später, war, daß der Wellengang unserer Boote der sie gegen ihr Ufer drückte. Sobald ich dies selbst merkte, änderte ich die Befehle. Ich verzichtete auf meinen ursprünglichen Plan, die gegnerischen Kräfte in zwei Gruppen mitten im Fluß aufzuteilen, und befahl meinen Leuten, sie statt dessen zwischen die Molen zurückzudrängen - und es gelang.

Die Mannschaften des Bundegrenzschutzes hatten keine Waffen  an Bord, und die deutschen Zöllner in den Zollgrenzbooten hatten nichts als Seitengewehre. Nachdem die „Kugelbake“ ihre zwanzig Minuten lange Zickzackfahrt von Ufer zu Ufer beendet hatte, während die ein gesperrten ostdeutschen Mannschaften Beschimpfungen mit ihren westlichen Gegnern austauschten, kehrte die gesamte westliche Streitmacht triumphierend in den Hafen zurück.

Seit dem Zwischenfall von Gorleben haben Venmessungsschiffe von beiden Seiten in aller Ruhe ihre Messungen auf dem Fluß ohne Zwischenfall ausgeführt. Man muß dabei allerdings feststellen, daß die Ostdeutschen sich bei ihrer Vermessunq auf ihre eigene Seite des Flusses beschränkten. hauptsachlich um die Einfahrt zu ihren Häfen auszubaggern.

Generalmajor Strickland, der ranghöchste anwesende britische Offizier, sagte später:

Es hätte leicht einen dritten Weltkrieg auslösen können.

  

                                                                   Hans Jürgen Prigge

                        
Unfreundliche Entwicklung auf der Elbe im Herbst 1969

 

Der Vordermann in meinem Zweier war ein Neuling. Um unseren Schlag aufeinander einspielen zu können, hatten wir abgelegt, sobald wir fertig waren. Unser Boot hatte vor unserer Vereinsgruppe einen Vorsprung von ca. 15 min. ungefähr 2 km. Wer uns stromab kommen sah, mußte uns für ein Einzelboot halten, weil die untere Mittelelbe bei Dömitz ausgeprägte, unübersichtliche Kurven aufweist. Mehr als Donau, Rhein und Weser führt die Elbe feinkömnigen Sand mit sich, den sie, wie alle Fließgewässer, an den Innenseiten (Streichufer) ablagert. Durch Art und Menge der Sedimente verändert sich die Fahrrinne der Elbe hier schneller, als die eingesetzten Bagger dem entgegenwirken können. Durch diese starken Ablagerungen bedingt wird manchmal der Stromstrich so in die Buhnen gedrängt, daß dort riesige Kehrwasser entstehen, die von  jedem Buhnenkopf in die„Strommitte“ rängen. Uns war empfohlen worden, nur die Westseite der Fahrrinne zu befahren, so blieb uns oftmals nur ein Streifen von ca. 5 m - und das, obwohl die Elbe hier wie 300 m breit aussieht.

   Ein typisches Beispiel für einen solchen Verlauf des  Fahrwassers ist eine Südschwingung bei Landsatz. Während mein westfälischer Vormann sich noch meinem Vortrag über die Geschichte des umliegenden Wendlandes anhören mußte, näherten wir uns einem Boot der Volkspolizei-Marine. Mit abgestelltem Motor trieben die VOPOs dicht vor dem Kehrwasser auf der Westseite des Stromstrichs. Rechnet man die wasserüberspülte für Schiffe nicht fahrbare Oberfläche der Elbe als Flußbett, d. h. von Buhnenkopf zu Buhnenkopf, dann lag das VOPO-Boot etwa zu drei Vierteln auf westlicher Seite. Ich wußte aus der Zeitung, daß VOPOS nichts von der westdeutschen Version der Rechtsauffassung halten. Nämlich daß die Elbe laut Londoner Protokoll zu Westdeutschland gehört und die DDR eben „drüben“ anfängt. Ich wußte andererseits, daß auf internationalen Wasserstraßen die Schiffahrt auf der Fahrrinne in voller Breite stattfindet. Die Elbe ist eine Bundeswasserstraße 1. Ordnung und selbst ohne den Polit-Streit um die Festlegung der Grenze auch mit Sportbooten befahrbar.

Mein Instinkt witterte eine Falle, vorsichtshalber steuerte ich den schmalen Streifen zwischen dem VPOP-Boot und dem West-Kehrwasser an.Auf gleicher Höhe mit dem feldgrauen Schnellboot angelangt, tritt ein undekorierter Mariner ins Cockpit und erwidert unser „Guten Tag“ mit folgender Ansprache.

“Sie befinden sich auf demTerritorum der Deutschen Demokratischen Republik. Verlassen Sie sofort den Teil der Fahrrinne, der zur DDR gehört“ Sprachs - und verschwand in seinem Aufbau der so gar nicht nach „Boot“ aussah. Sein Chef hatte den Motor angeworfen und fuhr in ca. 15 m Abstand hinter uns her.

     Wir hatten das Boot auf Kurs Ufer gelegt, aber nicht mehr so stark durchgezogen weil dort die großen Kehrwasser wirbelten. Das VOPO- Boot kam heran und diesmal schrie der Offizier sichtlich erregt. „Sie befinden sich noch immer auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik.Sie wollen wohl unbedingt festgenommen werden?“

Nein, gekapert wollten wir nicht werden. Wir wollten nicht einmal provozieren.

Wir wollten auch nicht das Recht unterstreichen, auf einer Bundeswasserstraße auch mit Sportbooten im Stromstrich fahren zu dürfen - Das können die vielen „Flitzer“ viel besser.Ein handgetriebenes Paddelboot ist das ungeeignetzte Mittel für dieses ungleiche„Spiel“.

Uns blieb fürs erste nichts anderes übrig, als ins Kehrwasser auf die westdeutsche Seite einzuschwenken und dort sozusagen „gegenan“ die Elbe stromnab zu fahren.

Jetzt näherte sich schnell die diszipliniert fahrendeGruppe von 4 Zweiern und 2 Einern meines Vereins. Unser „Bekannter von drüben“ ließ von uns ab, nicht ohne bei uns und den ankommenden Booten mit voller Kraft und Welle vorbeizufahren. Aber was weiß er schon vorn Faltbooten und ihrer Wellentüchtigkeit.

 

Am folgenden Wochenende brachte ich einen Freund aus Hannover nach Schnackenburg, um sein Boot nach Harburg zu versetzen. Auf der Hinfahrt warnte ich vor dem „man-eater“, der wahrscheinlich einzeIne Boote „bevorzugt „ Nach  seiner Fahrt wurde  aus seinem Bericht ein systernatischer Ablauf dieser Begegnung erkennbar.

 „Auf de Höhe von Landsatz versuchte das VOPO-Boot leise und nur 2 m neben meinem Heck fahrend mich zur östlichen Seite abzudrängen.Ich ließ das Schnellboot passieren,ging kurz hinter dem Heck auf Kurs Westufer.

 War auf das „ Motor-Anstell-Manöver“ gefaßt und parierte den Schwell mit Ankanten, wie auf der Lehrstrecke „Obere Ocker“ geübt. Ich nahm durchnäßt wieder Fahrt auf und kam - diesmal auf Westseite - in die Höhe des VoPo-Bootes. Es folgte die gleiche Anrede wie ich sie nach deiner Warnung schon erwartet hatte.“ Es muß sich wohl ein etwas schärferer Dialog ergeben haben,denn der Offizier versprach: „Dich holen wir uns noch!“ Der Motor heulte auf und der Spuk war in einer Gischt verschwunden. Sein Wochenende war gerettet. Als er sich umsah, wußte er warum. Ein westdeutsches Zollboot hatte seine Schwierigkeiten bemerkt und brauste heran. Einige Kilometer bliebt das Westboot in Ruf- und Sichtweite, bis dieser offensichtlich für Einzelboote gefährliche Elbabschnitt zurückgelegt war. Diese Entwicklung ist neu. Es muß mit der Diskussion über die Elbgrenze zusammenhängen.

Seit 1958 hatten wir Süderelbler jedes Jahr eine Elbefahrt durchgeführt. Wir waren gewohnt, beobachtet und kontrolliert zu werden, wahrscheinlich gezählt und „durchtelefoniert“ von Bunker zu Bunker (später Türme). Ein VOPO-Boot lag meist unserem Übernachtungsplatz gegenüber in einer Buhne und leuchtete  manchmal mit dem Scheinwerfer.

 Hier hatte die DEFA ihren Film „Karbid und Sauerampfer“ gedreht, aber seit dem Bau der Mauer in Berlin im August 1961 wurde das Ufer „drüben“ immer trostloser durch die Entvölkerurg. Es war kein Mensch mehr zu sehen. Die Fenster wurden zugenagelt, die Häuser schienen leer zu sein.

Wir hatten auch schon gehört, daß Bootsfahrer festgenommen und nach einem Gefängnisaufenthalt zu Hotelpreisen gegen Frachtkostenerstattung für LKW und Taxigebühren bei Lauenburg freigesetzt sein sollten. Aber die hatten vielleicht provoziert oder die Grenze durch „Anlanden“verletzt.

Jetzt wußten wir, wie es gemacht wurde und daß dahinter System steckte. Es wird dringend empfohlen, bei Fahnen mit Jugendlichen auf diesen Elbabschnitt die Fahrt 14 Tage vorher bei der Waschpo in Harburg (zuständig) oder beim Zoll in Lauenburg anzumelden.

   Quelle:Hans Rasenberger.“Die Dorfrepublik-Rüterberg“